Rheinmetall plant Fusion mit Krauss-Maffei-Wegmann+Nexter (KNDS)
Autor: Fred Schmid, Dr. oec. publ., Diplom-KaufmannVeröffentlicht am: 17. April 2019, ISW sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V.
Geburt eines Panzer-Sauriers neuer Dimension
In seiner „Nationalen Industriestrategie 2030“ spricht sich Wirtschaftsminister Altmaier für die Formierung „nationaler und europäischer Champions“ aus, die sich gegen Konkurrenten aus den USA und China behaupten können: „Größe zählt – Size matters“. Als Prototyp kann der bereits seit Jahren bestehende trinationale (Frankreich, Deutschland, Spanien) Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Group angesehen werden, mit der Rüstungssparte „Airbus Defence and Space“. Letztere ist weltweit der siebtgrößte Waffenkonzern, mit einem Umsatz von 11,3 Milliarden Dollar (2017) und einem Auftragsbestand im Rüstungsgeschäft von 36 Milliarden Euro, mehr als dem dreifachen Jahresumsatz.
Es ist wahrscheinlich, dass in Kürze ein zweiter europäischer Rüstungschampion geboren wird. Die Waffenschmiede Rheinmetall (Panzer, Kanonen, Munition, Raketen, schwere Militär-LKW mit Rheinmetall MAN Military Vehicles GmhH) strebt einen Einstieg beim Panzerkonzern KNDS (Krauss-Maffei-Wegmann + Nexter Defence Systems) an.
Für die Panzerschmiede Krauss Maffei (Leopard 1 und 2) in München Allach wäre es die dritte Verheiratung im Rüstungsbereich: 1999 entstand aus dem Zusammenschluss der Rüstungs- aktivitäten von Krauss Maffei (den zivilen Bereich, vor allem Kunststoff-Maschinen, übernahmen die Chinesen als Krauss Maffei Group) und der Firma Wegmann & Co (Kampfpanzer, Artillerie, Flugabwehr) die Krauss-Maffei-Wegmann (KMW). 2015 schlossen sich KMW und der staatliche französische Rüstungskonzern Nexter Systems (Panzer, z.B. Leclerc und Artilleriesysteme) zur KNDS in Form einer 50:50-Holding mit Sitz in Amsterdam zusammen.
Jetzt treibt Rheinmetall zur Mega-Fusion im Panzergeschäft. Rheinmetall will mindestens einen 50-Prozent-Part von KMW an deren hälftigem Anteil an der deutsch-französischen Rüstungsholding KNDS erwerben. Die andere Hälfte gehört dem französischen Staatsunternehmen Nexter Group. Man sei auf gutem Wege, verlautet aus dem Rheinmetall-Konzern. Rheinmetall-Chef Armin Papperger Anfang März: „Wir haben gesprochen und es gibt eine Bereitschaft, dass man Anteile bekommen kann“. Und Anfang April auf der Bilanzpressekonferenz: „Wir wollen mindestens 50 Prozent haben, am liebsten 51%“.
Rheinmetall verhandelt aus einer Position der Stärke: Der Rüstungsumsatz steigt stark an, die Auftragsbücher mit neuen Waffenbestellungen sind prall gefüllt und die Rüstungsindustriellen vom Rhein (Düsseldorf) haben offenbar die Bundesregierung im Rücken. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums zu den Worten Pappergers: „Eine Konsolidierung der Rüstungsindustrie ist wünschenswert.“ „Konsolidierung“ bedeutet im Regierungs-Sprech: „Konzentration“. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach sich bereits im August vergangenen Jahres in Paris vehement für eine „Konsolidierung“ der europäischen Rüstungsindustrie aus.
Dazu ist Rheinmetall bereits in Vorleistung gegangen: Anfang des Jahres hat es sich mit der Landfahrzeugsparte des größten britischen Rüstungskonzerns BAE-Systems, Platz 4 in der Weltrangliste der Waffenschmieden, zu einem Joint-Venture zusammengetan: An der Rheinmetall BAE Systems Land (RBSL) hält Rheinmetall 55% und übernimmt die Führung. Das hängt auch damit zusammen, dass die britischen Streitkräfte den Radpanzer Boxer (KMW und Rheinmetall) beschaffen. Durch das Joint Venture „entsteht ein neuer europäischer Marktführer, der sich im Bereich der militärischen Fahrzeuge eine Spitzenposition im internationalen Wettbewerb sichern will“, heißt es in der Pressemitteilung von Rheinmetall. Und man sieht Chancen für die künftige Belieferung britischer Streitkräfte mit Militärgerät.
Rüstungs-Explosion
Es kommt hinzu, dass das „Geschäft mit dem Tode“ bei Rheinmetall explosionsartig zugenommen hat. „Gingen im Jahr 2017 Neuaufträge für Kriegsgerät im Wert von 2,96 Milliarden Euro ein, so waren es 2018 sogar Neuaufträge im Wert von 5,57 Milliarden Euro. Der Auftragsbestand der Rüstungssparte hat damit einen Rekordwert von insgesamt 8,58 Milliarden Euro erreicht“. Damit hat Rheinmetall fast einen dreifachen Jahresumsatz (2018: 3,2 Milliarden Euro) in den Auftragsbüchern. Der Jahres-Umsatz soll in den nächsten Jahren stark expandieren. Bereits Anfang 2018 hatte Armin Papperger angesichts der steigenden Auftragsflut in einem Interview im Tagesspiegel erklärt: „Ich bin seit dreißig Jahren im Geschäft und ich kann mich nicht an eine solche Nachfrage erinnern“. Und Ende 2018: „Wir profitieren bei Defence vom wachsenden Nachholbedarf bei der Ausrüstung der Bundeswehr und vom militärischen Modernisierungsbedarf in vielen Ländern weltweit“, so der Rheinmetall Chef und Präsident der Waffenlobby BDSV (Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie). Auch Frank Haun, der Chef des Panzerbauers Krauss-Maffei-Wegmann bestätigt, die neue Rüstungswelle, die mit den steigenden Wehretats bereits angerollt ist: „Wir hatten letztes Jahr den stärksten Umsatz in unserer Firmengeschichte, und wir werden mittelfristig weiterwachsen“.
„KNDS und Rheinmetall würden bei einem Zusammenschluss zum mit Abstand größten europäischen Anbieter von gepanzerten Fahrzeugen werden“, schreibt das Handelsblatt. „Der Großteil des Geschäfts entfiele dabei auf die Düsseldorfer, die mittelfristig ihren Umsatz mit Waffensystemen von zuletzt 3,2 Milliarden auf vier bis sechs Milliarden Euro steigern wollen. Letztlich würde eine kombinierte Gruppe Rheinmetall-KNDS an der Schwelle von zehn Milliarden Euro kratzen“. In Dollars umgerechnet wären das etwa 12 Milliarden, womit die Gruppe etwa gleichauf mit Airbus Defence unter den Top 10 der weltgrößten Rüstungskonzerne rangieren würde. 2017 war Rheinmetall auf Rang 25, KMW auf 56 und Nexter auf Platz 83.
Über 100 Milliarden für neue Panzer
Treiber für die Fusions-Pläne sind die Gemeinschaftsprojekte im Rahmen von Pesco (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in der EU zur Entwicklung und die Produktion neuer Waffenprojekte. So haben Deutschland und Frankreich verabredet, ein neues Kampfflugzeug zu bauen sowie einen neuen Kampfpanzer und ein gemeinsames Artilleriesystem. In Europa müssten Tausende von Panzern ersetzt werden, so KMW-Boss Haun: „5.000 neue Panzer mal 15 Millionen Euro, da bin ich bei 75 Milliarden. Und wenn ich über (Panzer-) Haubitzen rede, bin ich schnell bei weiteren 40 Milliarden … Das sind Megathemen mit einem Gesamtvolumen von über 100 Milliarden Euro bis 2050“. Die beteiligten Unternehmen taxieren den Wert der Orders für das neue Kampfgerät ebenfalls auf rund 100 Milliarden Euro (HB, 14.3.19). Bei dem Großprogramm werde Rheinmetall eine „entscheidende Rolle“ spielen, erklärte Papperger.
Der neue Kampfpanzer, MBT (Main Battle Tank), auch „Leo 3“ genannt, soll bereits 2030/35 in Produktion gehen, zehn Jahre soll die Entwicklung dauern. Und er soll im Verbund kämpfen, dem Main Ground Combat System – ein Verbund aus schweren und leichten, bemannten und unbemannten untereinander vernetzten Panzern und Fahrzeugen. Die Kosten des gesamten Verbundsystems dürften weit höher sein als die jetzt genannten 100 Milliarden Euro.
Die Industrieführung für die Entwicklung des neuen Haupt-Kampfpanzers soll bei Deutschland liegen. Im Gegenzug wird die neue Generation von Kampfflugzeugen, genauer: Kampfflugzeugsystem FCAS (Future Combat Air System), unter französischer Führung entwickelt: von der trinationalen Airbus Defence und dem französischen Flugzeugkonzern Dassault. „Dieser Auftrag soll ein Volumen von rund 500 Milliarden haben“, schreibt das Handelsblatt. Allein die Entwicklungskosten sollen 80 Milliarden Euro betragen.
Panzer als Exportschlager
Große Absatzchancen für den neuen Super-Panzer erhofft man sich in Europa, insbesondere in den neuen NATO-Staaten im Osten. Im Handelsblatt-Interview erklärte der Panzer-Boss von KMW treuherzig: „Wenn wir in Europa nur europäische Produkte kaufen, brauchen wir keine Rüstungsexporte in Drittländer!“ Von wegen. Umgekehrt wird ein Schuh draus. In dem Maße wie europäisch dimensionierte Rüstungskapazitäten aufgebaut werden, wächst das Problem einer kontinuierlichen Auslastung, wird die Forderung nach Waffenexporten als Puffer lauter. Und mit der Machtballung im Rüstungsbereich erhöht sich der Druck der Konzerne auf die Politik, er gewinnt an Wirkung. Das zeichnet sich bereits jetzt im Vorfeld der Fusion der Panzerbauer ab. Vor dem Hintergrund deutsch-französischer Großprojekte warnte Papperger vor Exporthemmnissen und deutschen Sonderwegen beim Waffenexport: „Das muss aufhören“ forderte er kategorisch und sprach sich dafür aus, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu normalisieren.
Die Bundesregierung zeigt sich willfährig, etwaige deutsche Export-Restriktionen zu entsorgen. Auf der Münchner Sicherheits-Konferenz sagte Kanzlerin Merkel mit Blick auf die gemeinsamen deutsch-französischen Waffenprojekte, „wenn wir in Europa keine gemeinsame Kultur der Rüstungsexporte haben, dann ist die Entwicklung gemeinsamer Waffenprojekte natürlich auch gefährdet“. „Gemeinsame Kultur der Waffenexporte“ als Inhalt der „westlichen Wertegemeinschaft“! Der Spiegel hatte im Februar von einen „deutsch-französischem Geheimpapier“ berichtet, wonach die Regierungen bei Gemeinschaftsprojekten grundsätzlich keine Einwände gegen die jeweiligen Waffen-Ausfuhren erheben werden. Diese Linie versucht die Bundesregierung seither auch im Falle Saudi-Arabien gegen die Stimmung in der Bevölkerung durchzudrücken. Als „Verlässlichkeit zwischen den Partnern“ verkaufte Merkel in ihrer Regierungserklärung am 21. März 2019 diese unbegrenzte Freigabe von Waffenexporten bei Gemeinschaftsprojekten auch an verbrecherische Regimes.
Siehe auch: Fred Schmid: Rüstungs-Explosion & Bombengeschäfte – Bundesregierung im Rüstungswahn