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US - Mittelstreckenraketen in Deutschland - Sicherheit oder Kriegsgefahr?

Reichweiten von SM-6-Raketen (1.600km), Tomahawk-Marschflugkörpern (1700km-2.500km) und Dark-Eagle-Hyperschallraketen (2.700km) vom mutmaßlichen Stationierungsort Grafenwöhr
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Die USA und Deutschland haben am 10. Juli 2024 am Rande des Washingtoner NATO - Gipfels erklärt, ab 2026 US - amerikanische, landgestützte Mittelstreckenraketen in Deutschland zu stationieren.

Anders als Verteidigungsminister Pistorius behauptet, schließen landgestützte Mittelstreckenraketen keine militärische Fähigkeitslücke. Russland verfügt zwar über Kurz- und Mittelstreckensysteme an der Grenze zur NATO, doch etliche NATO-Staaten haben see- und luftgestützte Waffen, die weit nach Russland hineinreichen. (1)
Oberst a. D. Richter sagte dazu: „Generell sind die Luft- und Seestreitkräfte der NATO denen Russlands qualitativ und quantitativ deutlich überlegen.“
(2)

Raketenbefürworter sind trotzdem der Meinung, dass eine deutliche Überlegenheit gegenüber Russland gut und notwendig ist. Die Friedensbewegung hält die geplanten Mittelstreckenraketen jedoch für brandgefährlich. Warum?

1. Die geplanten landgestützten Mittelstreckenraketen eignen sich nach kurzer verdeckter Vorbereitung zu Überraschungsangriffen.
Im Gegensatz dazu würde der Einsatz von see- und luftgestützten Mittelstreckenraketen zu vorbereitenden Maßnahmen wie See- und Luftbewegungen führen. Moskau hätte entscheidend mehr Zeit für die Lagefeststellung und Alarmierung.(3)

2. Die drei geplanten Raketentypen sind Erstschlagswaffen und können Ziele weit im russischen Inland erreichen. Die Vorwarnzeiten sind aufgrund ihrer hohen Geschwindigkeiten extrem kurz.
Besonders besorgniserregend sind die Hyperschallraketen Dark Eagle. Mit einer Reichweite von 2700 km und einer Geschwindigkeit bis zu 21.000 km/h sind diese lenkbaren Raketen kaum abfangbar. (4) Von Grafenwöhr bis Moskau beträgt ihre Flugzeit nur 10 Minuten. (5)
Neben Kommandostellen, Raketenabschussrampen und Radaranlagen könnten auch die russischen Nuklearstreitkräfte und die Moskauer Regierungszentren potentielle Ziele sein.

3. Auch wenn die USA und Deutschland vorgeben, dass die Mittelstreckenwaffen nur unserer Sicherheit dienen sollen, ist zu befürchten, dass Russland das anders beurteilt und sich existentiell bedroht sieht. Die russische Abwehr hätte aufgrund der extrem kurzen Vorwarnzeit kaum Zeit zu reagieren, geschweige denn einen Fehlalarm auszuschließen.
Wie nah wir im Kalten Krieg schon einmal am nuklearen Abgrund standen, zeigt folgendes Ereignis: Als der sowjetische Computer 1983 einen amerikanischen Atom-Raketen-Angriff auf die Sowjetunion anzeigte, nahm der verantwortliche Offizier Stanislaw Petrow sich die Zeit, den Alarm zu überprüfen und löste den Vergeltungsschlag nicht aus. (6) Das wäre heute nicht mehr möglich.

4. Eine politische, nicht-militärische Lösung des Krieges in der Ukraine ist nicht in Sicht. In Folge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieges sind die Beziehungen zwischen NATO und Russland auf einem historischen Tiefpunkt.
Diplomatische Gespräche für Waffenstillstand und Verhandlungen mit allen beteiligten Konfliktparteien gibt es zur Zeit nicht. Zudem wurden die meisten Abrüstungsverträge von den USA gekündigt. (7) Gespräche zur Rüstungskontrolle, wie in Zeiten des Kalten Krieges, finden nicht statt. Insgesamt ist die Lage heute viel riskanter als damals.

5. Die geplante Stationierung der Mittelstreckenraketen ist eine weitere Eskalationsstufe und verschiebt das militärische Gleichgewicht zugunsten der NATO. Es ist anzunehmen, dass ein neues Wettrüsten befeuert wird. Zunehmende Spannungen und erhöhte Alarmbereitschaft sind zu erwarten. Die Situation könnte brandgefährlich werden und sich aufs Äußerste verschärfen. (8)

UN-Generalsekretär António Guterres warnte im Sommer 2024: „Die Menschheit steht auf Messers Schneide. Die Gefahr eines Nuklearwaffeneinsatzes war seit dem Kalten Krieg nie so groß...“

Fazit:

Die konkrete Gefahr für die Bevölkerung in Deutschland steigt! Mit der Stationierung der geplanten Mittelstreckenraketen, dem NATO-Hauptquartier in Wiesbaden, dem Koordinations- und Zielplanungszentrum in Mainz Kastell und der Tatsache, dass Deutschland im Kriegsfall für das Militär die logistische Drehscheibe nach Osten wäre, wird Deutschland für Russland zum Kriegsziel Nummer 1.

Darum fordern wir:

- Deeskalation, Waffenstillstand und Verhandlungen!

- Mittelstreckenraketen verhindern!


PDF zum Drucken:https://www.kasseler-friedensforum.de/pdf/2024-10-Mittelstreckenraketenb+m-.pdf

Berliner Appell "Gegen neue Mittelstreckenraketen und für eine friedliche Welt" unterzeichnen: https://nie-wieder-krieg.org/

Quellen:

1- Prof. Dr. Götz Neuneck, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler für die VDW-Studiengruppe „Europäische Sicherheit und Frieden“: https://vdw-ev.de/erklaerung-stationierung-lrf/

2- Oberst a.D. Richter, Seite 7, https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/21371.pdf
Oberst a.D. Wolfgang Richter, Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft Politik und langjähriger Militärberater bei UN und OSZE, hat die Waffenarsenale der NATO und Russlands in einer Studie für die Friedrich Ebert Stiftung Österreich analysiert.

3- Oberst a.D. Richter erklärte:
“Zwar konnte die US -Navy auch bisher schon von europäischen Randmeeren aus seegestützte US - Tomahawk bis zu 2500 km Entfernung einsetzen (…) Doch ließen die notwendigen Vorbereitungsmaßnahmen wie See- und Luftbewegungen Moskau Zeit für die Lagefeststellung und Alarmierung.“
Seite 7 und 13 https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/21371.pdf

4- US army tests 'Dark Eagle' hypersonic missile in the field
By David Szondy, July 29, 2024: https://newatlas.com/military/us-army-dark-eagle-hypersonic-missile-field-exercise/

5- Lühr Henken (Bundesausschuss Friedensratschlag), S.15, https://www.kasseler-friedensforum.de/pdf/220405Ukraine-Krieg-immenseHerausforderungf%C3%BCrdieFriedensbewegung.pdf

6- Der Mann, der die Welt vor einem Atomkrieg rettete, Leo Ensel, 18.05.2022 https://www.infosperber.ch/politik/der-mann-der-die-welt-vor-einem-atomkrieg-rettete/

7- Abrüstungsverträge:

- Der ABM-Vertrag von 1972: zur Begrenzung von Raketenabwehrsystemen von den USA im Jahr 2001 gekündigt.
In der Folge stationierte die NATO Raketenabwehrschirme in Polen und Rumänien. Damit wurde das nukleare
Abschreckungsgleichgewicht zwischen Russland und der NATO in Frage gestellt und das Versprechen gebrochen, dass
es in den neuen NATO-Mitgliedstaaten keine dauerhafte Stationierung strategisch relevanter Waffenpotenziale geben
werde.

- Der KSE-Vertrag von 1990: zur Begrenzung konventioneller Streitkräfte. In Folge der NATO-Osterweiterung
konnte über die Erneuerung des KSE-Vertrages keine Einigung mehr erreicht werden.

- Der INF-Vertrag von 1987: zur Abschaffung von Atomraketen mittlerer Reichweite (500-5500 km) wurde im Jahr
2019 zuerst von Ex-Präsident Trump gekündigt und danach von Russland.

- Das Abkommen Open Skies von 1992: zu vereinbarten Beobachtungsflügen auf der jeweils anderen Seite als
vertrauensbildende Maßnahme, wurde zuerst von den USA gekündigt.

- Der New Start-Vertrag: zur Begrenzung von strategischen Atomwaffen (Interkontinentalraketen) ist der letzte noch bestehende Abrüstungsvertrag und wurde 2021 noch für fünf Jahre verlängert und wird von Russland seit Februar 2023 ausgesetzt. Der Grund hierfür ist die militärische Unterstützung der NATO für die Ukraine.

8- António Guterres, Remarks to the 2024 Annual Meeting of the
Arms Control Association, 07.06.2024
siehe auch: https://www.zeit.de/politik/2024-02/muenchner-sicherheitskonferenz-eroeffnung-antonio-guterres